Die Nachricht von der Insolvenz des renommierten griechischen Weinguts Tsantalis im Jahr 2023 markiert einen Wendepunkt in der jüngeren Geschichte der griechischen Weinindustrie. Das Aus eines der größten und ältesten Weinproduzenten des Landes verdeutlicht die tiefgreifenden Herausforderungen, denen sich die Branche gegenübersieht, offenbart aber gleichzeitig die Resilienz und Innovationskraft griechischer Winzer.
Die Geschichte eines Weinriesen: Tsantalis‘ Aufstieg und Fall
Die Wurzeln des Unternehmens Tsantali Vineyards & Wineries reichen bis ins Jahr 1890 zurück, als der Großvater der heutigen Generation in Sidirochori, Thrakien, mit der Produktion von Tsipouro, einem Tresterbrand, begann. Im Jahr 1938 gründeten die Brüder Theodoros und Evangelos Tsantalis in Serres eine Destillerie für Ouzo. Es war jedoch Evangelos Tsantalis (1913–1996), der in den 1940er Jahren in Thessaloniki begann, Rotwein zu bereiten und den Grundstein für das international bekannte Weingut legte.
Über Generationen hinweg entwickelte sich Tsantalis zu einem der größten Weinproduzenten und Weinhandelshäuser Griechenlands, mit Hauptsitz in Agios Pavlos auf der Halbinsel Chalkidiki. Das Unternehmen war bekannt für seine Vielzahl an Weinbergen in historischen Regionen wie Naoussa, Rapsani am Olymp, Maronia in Thrakien und vor allem am Heiligen Berg Athos, wo es seit 1971 Bio-Weine in Zusammenarbeit mit dem Kloster St. Panteleimon anbaute. Tsantalis kultivierte sowohl einheimische Sorten wie Agiorgitiko, Assyrtiko und Xinomavro als auch internationale Rebsorten und war ein Vorreiter im biologischen Weinbau sowie im zertifizierten Integrierten Anbau. Mit einer Jahresproduktion von rund 18 Millionen Flaschen und einem Exportanteil von etwa 50%, wovon der größte Teil nach Deutschland ging, war Tsantalis ein Schwergewicht der griechischen Weinwirtschaft.
Die bitteren Jahre: Ursachen der Insolvenz
Die Insolvenz von Tsantalis im Jahr 2023 hatte multiple Ursachen. Laut Berichten stellte das Unternehmen bereits im Sommer 2023 die Produktion und Abfüllung vollständig ein, da es nicht über die nötige Liquidität verfügte, um Rohstoffe und Abfüllmaterial zu kaufen. Hinzu kamen untragbare finanzielle Verpflichtungen. Ein wesentlicher Faktor war auch die verheerende Ernte 2023, die durch Starkregen und extreme Hitze zu Einbußen von 54% führte und die finanzielle Lage des Unternehmens unwiederbringlich verschlechterte. Ein großer Teil der Verantwortung wurde der damaligen Geschäftsführung, insbesondere Angelos Dimitriadis, dem Schwiegersohn von Evangelos Tsantalis, zugeschrieben. Es scheint, dass die Corona-Krise das Unternehmen bereits ins Minus gedrückt hatte, ein Schicksal, das auch andere Firmen in der Branche traf.
Die griechische Weinindustrie in der Krise: Ein umfassender Blick
Die Pleite von Tsantalis ist symptomatisch für die schwierigen Bedingungen im griechischen Weinmarkt, die bereits vor dieser spezifischen Insolvenz bestanden. Griechenland erlebte in den letzten Jahren eine Weinwirtschaftskrise, die durch die allgemeine Finanzkrise des Landes verschärft wurde.
Herausforderungen durch die Wirtschaftskrise
Die Sparprogramme und die wirtschaftliche Not führten dazu, dass Wein in Griechenland für viele Familien zum Luxus wurde. Der inländische Weinkonsum brach ein, insbesondere im Restaurantbereich, und viele Griechen verzichteten auf gute Weine. Vor der Krise verkauften griechische Kellereien noch rund 90 Prozent ihres Weins im eigenen Land; diese Zahl musste sich drastisch ändern. Dies zwang die Winzer, sich stärker auf den Exportmarkt zu konzentrieren, um zu überleben.
Preisverfall und Dumpingpraktiken
Ein weiteres großes Problem ist der Preisverfall im mittleren und hochpreisigen Segment. Griechische Supermarktketten bieten Weine, selbst von renommierten Sorten wie Assyrtiko von Santorin, mit 40-prozentigen Abschlägen an. Solche Dumpingpreis-Kampagnen schaden den Winzern enorm, da die hohen Produktionskosten (besonders bei aufwendigem Anbau wie auf Santorin) nicht mehr gedeckt werden können. Dies führt zu einem zusammenbrechenden Weinhandel, leeren Kassen bei Händlern und dem Bankrott einiger Firmen, während andere um ihre Existenz kämpfen.
Chancen und Erfolge im Export
Trotz der internen Schwierigkeiten hat die griechische Weinwirtschaft im Export bemerkenswerte Erfolge erzielt. Deutschland ist mit fast 50 Prozent der Exporte der größte Abnehmer griechischer Weine, gefolgt von den USA mit fast 15 Prozent. Die Konzentration auf autochthone Rebsorten wie Assyrtiko, Moschofilero, Agiorgitiko und Xinomavro hat der Qualität und dem Image griechischer Weine international stark geholfen. Eine neue Generation junger, dynamischer Winzer hat durch moderne Önologie-Kenntnisse und internationale Praktika die Qualität der griechischen Weine auf Weltklasseniveau gehoben und sich ein Netzwerk im Ausland aufgebaut. Die Krise hat viele Winzer dazu gezwungen, ihren Vertrieb selbst in die Hand zu nehmen und innovativer zu werden.
Die griechische Spirituosenindustrie: Ein stabilerer Pfeiler?
Neben dem Wein spielt die Spirituosenindustrie eine wichtige Rolle in Griechenland. Tsantalis war auch ein bedeutender Produzent von Ouzo und Tsipouro. Der Griechische Verband Spirituosen-Hersteller (SEAOP), gegründet 1995, vertritt die Interessen der Produzenten griechischer Getränke weinbaulichen Ursprungs und anderer alkoholischer Getränke.
Die Branche strebt danach, die Qualität ihrer Produkte durch Forschung und technischen Fortschritt zu fördern und die Interessen der Hersteller auf nationaler und internationaler Ebene zu wahren. Obwohl Griechenland im Jahr 2024 zu den teuersten EU-Ländern für alkoholische Getränke gehörte, zeigt der Exportsektor der EU-Spirituosenindustrie im Jahr 2023 eine Resilienz. Die anhaltende Popularität von Ouzo und Tsipouro, auch international, könnte der Spirituosenindustrie eine stabilere Basis bieten als dem Weinsektor, der stärker unter dem inländischen Preisdruck leidet.
Fazit
Die Insolvenz von Tsantalis ist ein einschneidendes Ereignis, das die Anfälligkeit großer, etablierter Unternehmen im schwierigen wirtschaftlichen Umfeld Griechenlands aufzeigt. Sie resultierte aus einer Kombination von Liquiditätsproblemen, untragbaren finanziellen Lasten und einer verheerenden Ernte, verstärkt durch das gesamtwirtschaftliche Klima. Für den griechischen Weinmarkt bedeutet dies eine weitere Konsolidierung, mit weniger mengenstarken Playern. Gleichzeitig hat die Krise die Innovation und den Exportfokus anderer griechischer Winzer massiv vorangetrieben. Durch die Konzentration auf hochwertige autochthone Rebsorten und eine junge, dynamische Winzergeneration gewinnt griechischer Wein international an Ansehen. Die Spirituosenindustrie scheint derweil eine stabilere Entwicklung zu nehmen. Die Transformation des griechischen Weinmarktes ist in vollem Gange, und obwohl der Weg steinig ist, zeigen viele kleinere und mittlere Weingüter, dass Qualität, Authentizität und Exportorientierung der Schlüssel zu einer vielversprechenden Zukunft sind.
Weiterführende Quellen
https://glossar.wein.plus/tsantali
https://www.spezialitaeten.de/delikatessen/weine/griechenland/weingut-tsantali/
https://www.greekgastronomyguide.gr/de/item/oinopoieio-tsantali-athos-xalkidiki/
https://de.wikipedia.org/wiki/Tsantali
https://www.genuss7.de/tsantalisevangelos-tsantalis-ag.html
https://greekreporter.com/2024/07/26/greek-winemaker-tsantalis-bankruptcy/?utm_source=chatgpt.com





