In einem wegweisenden Urteil vom 21. Juni 2023 (Aktenzeichen: BVerwG 1 C 34.21) hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die während der Corona-Pandemie in Sachsen verhängten Versammlungsverbote unverhältnismäßig waren. Die Sächsische Corona-Schutz-Verordnung vom 17. April 2020 hatte grundsätzlich alle Veranstaltungen, Versammlungen und sonstigen Ansammlungen untersagt. Ausnahmen konnten nur durch den zuständigen Landkreis oder die zuständige kreisfreie Stadt erteilt werden.
Das Gericht stellte fest, dass dieses generelle Verbot aller Versammlungen einen schweren Eingriff in die Versammlungsfreiheit darstellte, die durch Artikel 8 Absatz 1 des Grundgesetzes geschützt ist. Die Möglichkeit von Ausnahmen durch Sondergenehmigungen minderte nach Ansicht des Gerichts die Schwere des Grundrechtseingriffs nur unwesentlich.
Die Behörden durften zwar auf das Infektionsschutzgesetz gestützt werden und davon ausgehen, dass andere Schutzmaßnahmen nicht gleich wirksam gewesen wären. Allerdings stand der erwartete Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung laut Gericht in keinem Verhältnis zur Schwere des Grundrechtseingriffs.
Im Frühjahr 2020 hatte sich die Infektionsgeschwindigkeit nach Einschätzung des Freistaats Sachsen selbst verlangsamt. Vor diesem Hintergrund war ein generelles Versammlungsverbot nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht mehr gerechtfertigt. Die Verordnung hätte spezifizieren müssen, unter welchen Bedingungen Versammlungen epidemiologisch vertretbar sein könnten, um zumindest Versammlungen im Freien mit einer begrenzten Teilnehmerzahl unter Beachtung von Schutzauflagen wieder möglich zu machen.
Dieses Urteil unterstreicht die Bedeutung der Versammlungsfreiheit in unserer demokratischen Gesellschaft und die Notwendigkeit, dass staatliche Maßnahmen, die in diese Freiheit eingreifen, stets verhältnismäßig sein müssen. Es ist ein wichtiger Hinweis für zukünftige Entscheidungen in ähnlichen Situationen.
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