Die deutsche Automobilindustrie befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel, der durch die Transformation hin zur Elektromobilität und fortschreitende Digitalisierung maßgeblich vorangetrieben wird. Ein prominenter Akteur in diesem Umbruch ist der Automobilzulieferer ZF Friedrichshafen. Das Unternehmen, bekannt für seine Getriebe und Antriebskomponenten, sieht sich gezwungen, seine Strukturen neu auszurichten, um wettbewerbsfähig zu bleiben und den veränderten Marktbedingungen gerecht zu werden. Dieser Wandel hat weitreichende Konsequenzen, insbesondere für die deutschen Standorte und die dortigen Arbeitsplätze.
Der Wandel zur Elektromobilität: Herausforderungen und Auswirkungen auf ZF
Der Übergang zur Elektromobilität ist der zentrale Faktor, der die Automobilzuliefererbranche und damit auch ZF vor immense Herausforderungen stellt. Elektroautos benötigen deutlich weniger mechanische Teile als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren. Dies führt zu einer sinkenden Nachfrage nach traditionellen Komponenten, die ZF seit Jahrzehnten erfolgreich produziert. Die Division Elektrifizierte Antriebstechnologien steht daher unter besonderem Fokus, da sie von hohem Wettbewerbs- und Kostendruck sowie einer aktuell schwachen Marktentwicklung für E‑Autos betroffen ist.
Stellenabbau als schmerzhafte Konsequenz
Um den finanziellen Druck zu mindern und die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, plant ZF einen massiven Stellenabbau in Deutschland. Bis Ende 2028 sollen sukzessive zwischen 11.000 und 14.000 Arbeitsplätze reduziert werden. Dies betrifft nahezu jeden vierten Arbeitsplatz des Unternehmens in Deutschland, wo ZF aktuell rund 55.000 Mitarbeiter beschäftigt. Besonders hart trifft es Standorte, die noch stark auf den klassischen Verbrennungsmotor ausgerichtet sind. Berichte über die Schließung des Werks in Gelsenkirchen Ende 2024 und die geplante Schließung in Eitorf bis 2027 verdeutlichen die Dramatik der Lage. Auch in Bayern, insbesondere in Schweinfurt, Nürnberg, Auerbach und Thyrnau, herrscht große Unsicherheit bezüglich der Zukunft der Arbeitsplätze in der Elektromobilitätssparte und der Getriebefertigung.
Finanzielle Belastungen und strategische Neuausrichtung
Die Umstellung auf Elektromobilität erfordert erhebliche Investitionen in neue Technologien und eine Verschiebung der Produktionskapazitäten. Gleichzeitig hat ZF in den letzten Jahren durch große Zukäufe, wie TRW (2015) und Wabco (2020), Milliarden an Schulden angehäuft, was den finanziellen Druck zusätzlich erhöht. Im Jahr 2024 verzeichnete ZF einen Milliardenverlust, der maßgeblich auf operative Verluste und Rückstellungen für Restrukturierungskosten, also den Personalabbau, zurückzuführen ist.
Um dem entgegenzuwirken, richtet ZF seine Strukturen neu aus und verfolgt die strategische Leitidee „Stärken stärken“. Das Unternehmen verstärkt seine Investitionen in den Bereichen Nutzfahrzeugtechnik, Chassis Solutions, Industrietechnik und Aftermarket. Diese Bereiche gelten als Wachstumsmotoren und sollen dazu beitragen, die Abhängigkeiten vom klassischen Antriebsgeschäft zu reduzieren. Auch die strategische Suche nach Partnern für die Antriebssparte oder gar deren Ausgliederung werden erwogen, um die Wettbewerbsfähigkeit in diesem Kernbereich zu sichern.
Standortsicherung und die Zukunft der Arbeit in Deutschland
Die geplanten Maßnahmen zur Standortkonsolidierung und zum Personalabbau sind Teil eines umfassenden Transformationsprozesses, der durch den bereits im Jahr 2020 geschlossenen Tarifvertrag Transformation untermauert wird. Dieser Vertrag sah die Analyse der einzelnen Standorte und die Erarbeitung von Zielbildern für eine gesicherte Zukunft vor. Ziel ist es, die deutschen Standorte wettbewerbsfähiger und flexibler zu machen sowie die Personalplanung konsequent am zu erwartenden Bedarf auszurichten.
Notwendigkeit von Investitionen und Umschulungen
Der Verband der europäischen Automobilzulieferer (CLEPA) betont, dass der langsame Hochlauf der Elektromobilität ein Hauptproblem für die Branche darstellt und viele Unternehmen nicht genügend verdienen, um die notwendigen Investitionen für die Transformation zu finanzieren. Dies unterstreicht die Dringlichkeit für Unternehmen wie ZF, aktiv in die Zukunft zu investieren. Während der Stellenabbau in der Produktion von Verbrennungsmotor-Komponenten unvermeidlich erscheint, entstehen zugleich neue Arbeitsplätze in Bereichen wie Projektmanagement, Entwicklung, Software und Systems Engineering sowie in der Steuerung globaler Projekte im Bereich neuer Antriebstechnologien.
ZF investiert daher stark in Forschung und Entwicklung, insbesondere in den Bereichen Nachhaltigkeit, Elektromobilität, automatisiertes und autonomes Fahren, Software und Digitalisierung sowie Vehicle Motion Control. Es ist entscheidend, dass Unternehmen und Politik gemeinsam daran arbeiten, die Belegschaften durch gezielte Weiterbildungsangebote auf diese neuen Anforderungen vorzubereiten.
Lieferketten und globale Neuausrichtung
Die globalen Lieferketten sind ebenfalls von den Umwälzungen betroffen. ZF unternimmt außerordentliche Anstrengungen, um die Lieferkette aufrechtzuerhalten und setzt auf Digitalisierung und Cloud-Lösungen für die interne Kommunikation und Zusammenarbeit. Gleichzeitig gibt es Befürchtungen, dass Teile der Produktion, wie im Fall des Standorts Saarbrücken, nach Ungarn verlagert werden könnten, was die Sorgen vor einem schleichenden Rückzug aus Deutschland verstärkt. Dies wirft die Frage nach der Stärkung der deutschen Industrie im globalen Wettbewerb auf und betont die Notwendigkeit einer zukunftsfähigen Industriepolitik.
Fazit
Der Strukturwandel in der Automobilindustrie stellt ZF vor enorme Herausforderungen. Die Umstellung auf Elektromobilität erfordert schmerzhafte Entscheidungen, insbesondere im Hinblick auf den Arbeitsplatzverlust in traditionellen Fertigungsbereichen. ZF begegnet diesen Herausforderungen durch eine strategische Neuausrichtung, die Konsolidierung deutscher Standorte und gezielte Investitionen in Zukunftsfelder wie Nutzfahrzeugtechnik, Chassis Solutions und Industrietechnik. Die Sicherung der verbleibenden Arbeitsplätze und die Schaffung neuer Perspektiven durch Weiterbildung sind dabei von entscheidender Bedeutung. Der Erfolg der Transformation von ZF wird nicht nur über die Zukunft des Unternehmens entscheiden, sondern auch exemplarisch für die gesamte deutsche Automobilindustrie zeigen, wie der tiefgreifende Wandel hin zu einer neuen Mobilitätsära gemeistert werden kann.
Weiterführende Quellen:
https://www.euroguss.de/de-DE/euroguss-365/2024/news/zf-will-in-deutschland-bis-zu-14000-stellen-abbauen
https://www.handelsblatt.com/dpa/sparmassnahmen-zf-proteste-betriebsrat-erwartet-mehr-als‑4–000-menschen/30418068.html
https://www.marktundmittelstand.de/personal/stellenabbau-bei-automobilzulieferer