Arbeitszeit im Wandel: Zwischen Wunsch nach Flexibilität und starren Strukturen in Deutschland

Arbeitszeit im Wandel: Zwischen Wunsch nach Flexibilität und starren Strukturen in Deutschland

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Die tra­di­tio­nel­le Vor­stel­lung von Arbeits­zei­ten, geprägt durch fes­te Prä­senz­pflich­ten und den klas­si­schen Acht-Stun­den-Tag, steht in Deutsch­land zuneh­mend auf dem Prüf­stand. Der Wunsch nach Fle­xi­bi­li­tät und kür­ze­ren Arbeits­zei­ten prägt die Debat­te um die Zukunft der Arbeit – ein Wunsch, der auf star­re Struk­tu­ren, recht­li­che Rah­men­be­din­gun­gen und mit­un­ter die Ableh­nung von Vor­ge­setz­ten trifft. Die­se Ent­wick­lung ist nicht nur eine Fol­ge tech­no­lo­gi­scher Fort­schrit­te, son­dern auch eines ver­än­der­ten Ver­ständ­nis­ses von Work-Life-Balan­ce und Mit­ar­bei­ter­be­dürf­nis­sen.

Mitarbeiterwünsche als Treiber des Wandels

Aktu­el­le Umfra­gen unter­strei­chen den tief­grei­fen­den Wunsch der Beschäf­tig­ten nach mehr Auto­no­mie über ihre Arbeits­zei­ten. Eine im Sep­tem­ber 2025 ver­öf­fent­lich­te Umfra­ge des DGB-Index Gute Arbeit 2025 zeigt, dass mehr als die Hälf­te der Arbeit­neh­mer (53 Pro­zent) ihre Arbeits­zeit ger­ne ver­kür­zen möch­te. Die­ser Wunsch ist beson­ders aus­ge­prägt bei jenen, die über 40 Stun­den pro Woche arbei­ten – hier stre­ben 80 Pro­zent eine Redu­zie­rung an. Eine wei­te­re DGB-Befra­gung vom Juli 2025 ergab, dass rund drei Vier­tel der deut­schen Beschäf­tig­ten nicht mehr als acht Stun­den pro Tag arbei­ten wür­den, wenn sie freie Wahl hät­ten. Dar­über hin­aus wün­schen sich 95 Pro­zent der Befrag­ten, dass ihr Arbeits­tag spä­tes­tens um 18 Uhr endet und die Arbeits­zeit pri­mär zwi­schen 6 und 18 Uhr liegt.

Die­se Ergeb­nis­se spie­geln einen brei­te­ren Trend wider: Die gewünsch­ten Arbeits­zei­ten sind über Jahr­zehn­te hin­weg bemer­kens­wert sta­bil geblie­ben, jedoch ist bei Voll­zeit­be­schäf­tig­ten ein Trend zu etwas kür­ze­ren gewünsch­ten Arbeits­zei­ten zu beob­ach­ten, der sich durch die Erfah­run­gen der Pan­de­mie noch ver­stärkt hat. Eine Ivan­ti-Stu­die aus dem April 2024 bestä­tigt, dass deut­sche Arbeit­neh­mer vor allem fle­xi­ble Arbeits­zei­ten und zuneh­mend auch die Vier-Tage-Woche bevor­zu­gen. Auch eine SD Worx-Stu­die aus dem Jahr 2024 iden­ti­fi­zier­te fle­xi­ble Arbeits­zeit­ge­stal­tung als das attrak­tivs­te Ange­bot eines Arbeit­ge­bers, dem 67 Pro­zent der Befrag­ten zustimm­ten.

Herausforderungen: Starre Strukturen und Vorgesetztenablehnung

Trotz des kla­ren Mit­ar­bei­ter­wun­sches nach mehr Fle­xi­bi­li­tät und ver­kürz­ten Arbeits­zei­ten sehen sich vie­le Unter­neh­men mit erheb­li­chen Hür­den kon­fron­tiert. Die DGB-Umfra­ge ver­deut­licht, dass Arbeit­ge­ber häu­fig fle­xi­ble Model­le blo­ckie­ren: 51 Pro­zent der Befrag­ten nen­nen star­re Arbeits­ab­läu­fe als Grund, wäh­rend 40 Pro­zent die Ableh­nung von Vor­ge­setz­ten als Hin­der­nis iden­ti­fi­zie­ren. Eine älte­re, aber immer noch rele­van­te Stu­die der Hans-Böck­ler-Stif­tung von 2016 zeig­te bereits, dass Beschäf­tig­te, die ihre Arbeits­zeit redu­zie­ren wol­len, oft auf man­geln­des Ver­ständ­nis, rigi­de Arbeits­or­ga­ni­sa­ti­on und knap­pe Per­so­nal­aus­stat­tung sto­ßen.

Die­se Blo­cka­den kön­nen nicht nur die Mit­ar­bei­ter­zu­frie­den­heit min­dern, son­dern auch die Pro­duk­ti­vi­tät und die Attrak­ti­vi­tät des Arbeit­ge­bers nega­tiv beein­flus­sen. Unter­neh­men, die sich den Bedürf­nis­sen ihrer Mit­ar­bei­ter anpas­sen und fle­xi­ble Arbeits­zeit­mo­del­le anbie­ten, pro­fi­tie­ren hin­ge­gen von höhe­rer Mit­ar­bei­ter­zu­frie­den­heit und ‑moti­va­ti­on, gerin­ge­ren Fehl­zei­ten und einem posi­ti­ven Employ­er Bran­ding. Der Fach­kräf­te­man­gel ver­stärkt den Druck auf Arbeit­ge­ber, sich anzu­pas­sen, auch wenn dies eine Anpas­sung der inter­nen Pla­nung erfor­dert.

Die Debatte um das Arbeitszeitgesetz

Ein zen­tra­les Ele­ment der Dis­kus­si­on um die Fle­xi­bi­li­sie­rung der Arbeit ist das deut­sche Arbeits­zeit­ge­setz (ArbZG). Es gibt eine anhal­ten­de Debat­te über die Not­wen­dig­keit, das Gesetz an die moder­nen Arbeits­rea­li­tä­ten anzu­pas­sen. Die FDP-Frak­ti­on hat bei­spiels­wei­se einen Gesetz­ent­wurf zur Fle­xi­bi­li­sie­rung des Arbeits­zeit­ge­set­zes vor­ge­legt, der die Mög­lich­keit einer wöchent­li­chen statt einer täg­li­chen Höchst­ar­beits­zeit schaf­fen soll, in Ein­klang mit der euro­päi­schen Arbeits­zeit­richt­li­nie.

Arbeit­ge­ber­ver­bän­de unter­stüt­zen die­sen Ansatz und argu­men­tie­ren, dass eine sol­che Fle­xi­bi­li­sie­rung sowohl betrieb­li­chen Erfor­der­nis­sen im glo­ba­len Wett­be­werb gerecht wird als auch den Beschäf­tig­ten hilft, fami­liä­re Anfor­de­run­gen bes­ser zu bewäl­ti­gen. Es gehe dabei nicht dar­um, mehr zu arbei­ten, son­dern „anders zu arbei­ten“.

Gewerk­schaf­ten wie der DGB leh­nen eine Auf­wei­chung des Acht-Stun­den-Tages jedoch ab. Sie ver­wei­sen dar­auf, dass bereits jetzt viel­fäl­ti­ge fle­xi­ble Gestal­tun­gen über Tarif­ver­trä­ge und Betriebs­ver­ein­ba­run­gen mög­lich sei­en. Der Acht-Stun­den-Tag sei wis­sen­schaft­lich fun­diert und habe sich bewährt, da län­ge­re Arbeits­zei­ten die Pro­duk­ti­vi­tät ver­rin­gern und das Unfall­ri­si­ko erhö­hen kön­nen. Das aktu­el­le Gesetz erlaubt eine Über­schrei­tung von acht auf bis zu zehn Stun­den täg­lich, sofern der Durch­schnitt von acht Stun­den inner­halb von sechs Kalen­der­mo­na­ten oder 24 Wochen ein­ge­hal­ten wird. Die Arbeit­ge­ber­ver­ant­wor­tung spielt hier eine ent­schei­den­de Rol­le, um gesund­heit­li­che Risi­ken durch über­lan­ge Arbeits­zei­ten zu ver­mei­den.

Flexibilisierung als Zukunft der Arbeit in Deutschland

Die Arbeits­welt befin­det sich in einem tief­grei­fen­den Wan­del, in dem fle­xi­ble Arbeits­zeit­mo­del­le immer mehr zur Norm wer­den. Tech­no­lo­gi­sche Inno­va­tio­nen und der Wunsch nach einer bes­se­ren Work-Life-Balan­ce trei­ben die­sen Wan­del vor­an. Model­le wie Gleit­zeit, Teil­zeit­ar­beit, Home­of­fice, hybri­des Arbei­ten, Job­sha­ring und Work­a­ti­on gewin­nen an Bedeu­tung.

Hybri­des Arbei­ten, das eine Mischung aus Büro­prä­senz und Remo­te-Arbeit dar­stellt, wird als ein domi­nan­tes Modell der Zukunft gese­hen, da es Unter­neh­men und Mit­ar­bei­ten­den das Bes­te aus bei­den Wel­ten bie­tet. Die Frei­heit, Arbeits­ort und ‑zeit fle­xi­bel zu gestal­ten, kann Pro­duk­ti­vi­tät und Mit­ar­bei­ter­zu­frie­den­heit erheb­lich stei­gern. Unter­neh­men wie die Deut­sche Tele­kom bie­ten bereits umfas­sen­de Gleit­zeit­re­ge­lun­gen und Home­of­fice-Optio­nen an, um die Work-Life-Balan­ce ihrer Mit­ar­bei­ter zu för­dern.

Die Vier-Tage-Woche, bereits in Län­dern wie Bel­gi­en gesetz­lich ver­an­kert und in Groß­bri­tan­ni­en erfolg­reich getes­tet, ist auch in Deutsch­land ein wach­sen­des Zukunfts­mo­dell, das von Arbeit­neh­mern gewünscht wird. Sie kann in vie­len Büro­jobs leich­ter umge­setzt wer­den als in Bran­chen wie Pfle­ge oder Ein­zel­han­del. Die Mög­lich­keit, die Arbeits­zeit selbst­be­stimmt zu gestal­ten, wirkt sich zudem posi­tiv auf die Gesund­heit der Beschäf­tig­ten aus, da sie sel­te­ner über Rücken­schmer­zen, Schlaf­stö­run­gen und Erschöp­fung kla­gen.

Fazit

Die deut­sche Arbeits­welt steht vor der Her­aus­for­de­rung, die wach­sen­den Mit­ar­bei­ter­wün­sche nach Fle­xi­bi­li­sie­rung und Arbeits­zeit­ver­kür­zung mit bestehen­den star­ren Struk­tu­ren und gesetz­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen in Ein­klang zu brin­gen. Wäh­rend Umfra­gen eine kla­re Prä­fe­renz für mehr Auto­no­mie und kür­ze­re Arbeits­zei­ten zei­gen, brem­sen rigi­de Abläu­fe und die Ableh­nung von Vor­ge­setz­ten den Wan­del. Die Debat­te um das Arbeits­zeit­ge­setz spie­gelt den Kon­flikt zwi­schen dem Wunsch nach Anpas­sung und dem Schutz von Arbeit­neh­mer­rech­ten wider. Moder­ne Arbeits­zeit­mo­del­le wie hybri­des Arbei­ten und die Vier-Tage-Woche sind jedoch ent­schei­dend für die Attrak­ti­vi­tät von Arbeit­ge­bern, die Pro­duk­ti­vi­tät und die Work-Life-Balan­ce der Beschäf­tig­ten in der Zukunft der Arbeit Deutsch­land. Eine pro­ak­ti­ve Anpas­sung von Unter­neh­men und Gesetz­ge­bung ist not­wen­dig, um dem Fach­kräf­te­man­gel ent­ge­gen­zu­wir­ken und ein gesun­des, zukunfts­fä­hi­ges Arbeits­um­feld zu schaf­fen.

Weiterführende Quellen

https://www.verbandsbuero.de/arbeitszeitflexibilisierung-dgb-umfrage-zeigt-wunsch-nach-kuerzeren-arbeitszeiten/

https://doku.iab.de/forschungsbericht/2023/fb1623.pdf

https://www.ivanti.com/de/company/press-releases/2024/ivanti-studie-deutsche-arbeitnehmer-innen-wollen-vor-allem-flexible-arbeitszeiten-aber-auch-die-4-tage-woche