Das Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Berlin-Brandenburg zu den fristlosen Kündigungen von Gorillas-Mitarbeitenden, die an sogenannten „wilden Streiks“ teilgenommen haben, hat für viel Aufsehen gesorgt. In mehreren Verfahren bestätigte das LAG die Rechtmäßigkeit dieser Kündigungen, da die Richter die Teilnahme an den unorganisierten Streikaktionen als erhebliche arbeitsrechtliche Pflichtverletzung werteten. Diese Entscheidungen werfen grundlegende Fragen zum Streikrecht und den Rechten der Arbeitnehmer auf, insbesondere im Hinblick auf die rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland. Weitere Details sind in der Pressemitteilung des LAG Berlin-Brandenburg verfügbar.
Hintergrund der „wilden Streiks“
„Wilde Streiks“ sind unorganisierte Arbeitsniederlegungen, die nicht von Gewerkschaften initiiert werden. In Deutschland müssen Streiks gewerkschaftlich organisiert sein, um rechtlich als zulässig zu gelten. Diese Regelung ist im Artikel 9 des Grundgesetzes verankert, der das Recht auf Vereinigungsfreiheit und somit auch auf die Bildung von Gewerkschaften sowie die Durchführung eines gewerkschaftlich organisierten Streiks schützt. Daher sind nicht gewerkschaftlich organisierte Proteste, wie sie bei den Gorillas stattfanden, in der Regel rechtswidrig.
Im Oktober 2021 blockierten zahlreiche Gorillas-Rider die Zugänge zu den Filialen des Unternehmens, um bessere Arbeitsbedingungen und eine pünktlichere Auszahlung ihrer Gehälter zu fordern. Solche Aktionen sind jedoch oftmals mit hohen rechtlichen Risiken verbunden, da sie als Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten angesehen werden können. Laut einem Bericht von Haas & Eschborn stellen wilde Streiks eine erhebliche arbeitsrechtliche Pflichtverletzung dar und können zur fristlosen Kündigung führen.
Die Entscheidungen des LAG Berlin-Brandenburg
In den Urteilen vom 25. April 2023 (Aktenzeichen 16 Sa 868/22, 16 Sa 869/22 und 16 Sa 871/22) bewertete das LAG die Teilnahme an den wilden Streiks als schwere Pflichtverletzung. Die Richter stellten fest, dass die Protestaktionen nicht als zulässige Ausübung des Streikrechts gemäß Artikel 9 Absatz 3 Satz 1 Grundgesetz eingeordnet werden konnten. Die Richter entschieden, dass die nicht gewerkschaftlich organisierten Aktionen nicht die notwendigen rechtlichen Voraussetzungen für einen zulässigen Streik erfüllten, was zur Bestätigung der fristlosen Kündigungen führte. Ein weiteres Verfahren konnte jedoch nicht beweisen, dass der Arbeitnehmer aktiv an den Protestaktionen teilgenommen hatte; in diesem Fall wurde die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses bestätigt, jedoch nicht die fristlose Kündigung. Diese Entscheidung ist von großer Bedeutung für die rechtliche Landschaft in Deutschland, da sie zeigt, unter welchen Bedingungen ein Streik durchgeführt werden kann und welche Konsequenzen eine Beteiligung an wilden Streiks nach sich ziehen kann. Diese Aspekte sind auch im Beck Blog ausführlich thematisiert.
Rechtliche Bewertung der Protestaktionen
Die rechtliche Bewertung der Protestaktionen durch das LAG stützt sich auf das Prinzip der gewerkschaftlichen Organisation. Das Gericht stellte klar, dass nicht gewerkschaftlich organisierte Streiks als rechtswidrig anzusehen sind und somit nicht unter den Schutz des Grundgesetzes fallen. Diese Ansicht wird durch internationale Vorgaben unterstützt, darunter auch die Revidierte Europäische Sozialcharta. Im Kontext der Gorillas-Proteste wurden die Beteiligungen der Rider an den Aktionen als arbeitsvertragliche Pflichtverletzung anerkannt, was die Rechtmäßigkeit der fristlosen Kündigungen untermauerte. Eine detaillierte Analyse dieser rechtlichen Grundlagen kann in einem Artikel von Beck aktuell nachgelesen werden.
Auswirkungen auf die Beschäftigten
Die Entscheidungen des LAG haben weitreichende Konsequenzen für die betroffenen Mitarbeiter. Die Bestätigung der fristlosen Kündigungen könnte ein abschreckendes Beispiel für andere Arbeitnehmer sein, die ähnliche Protestaktionen in Erwägung ziehen. Langfristig könnte dies die Bereitschaft der Arbeitnehmer verringern, ihre Rechte aktiv einzufordern, aus Angst vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen. Gleichzeitig könnte dies auch das Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Angestellten belasten, da die Arbeitgeber nun sicherer in der rechtlichen Handhabung von ähnlichen Fällen agieren können. Die ESV hebt hervor, dass solche Entscheidungen Arbeitnehmer im Kampf für bessere Arbeitsbedingungen in eine schwierige Lage bringen.
Fazit und Handlungsempfehlungen
Zusammenfassend zeigt das Urteil des LAG Berlin-Brandenburg, wie wichtig es ist, die rechtlichen Rahmenbedingungen für Streiks zu verstehen. Arbeitgeber sollten klar kommunizieren, unter welchen Bedingungen Streiks zulässig sind, um Missverständnisse zu vermeiden. Arbeitnehmer hingegen sollten sich über ihre Rechte und die möglichen Konsequenzen von Protestaktionen informieren. Eine gewerkschaftliche Organisation kann dabei helfen, die rechtlichen Risiken zu minimieren und die Ansprüche der Arbeitnehmer in einem rechtlich geschützten Rahmen zu formulieren. Es ist empfehlenswert, rechtzeitig rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen, um im Konfliktfall besser gewappnet zu sein.
Die Diskussion um „wilde Streiks“ wird weiterhin an Bedeutung gewinnen, und es bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung in Zukunft entwickeln wird. Um mit rechtlichen Änderungen Schritt zu halten, bleibt es ratsam, sich regelmäßig über aktuelle Entwicklungen im Arbeitsrecht zu informieren.
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