Bosch Hildesheim: Der Kompromiss zur Standortsicherung – Eine Zukunftsgeschichte für Arbeitnehmer und Regionalwirtschaft

Bosch Hildesheim: Der Kompromiss zur Standortsicherung – Eine Zukunftsgeschichte für Arbeitnehmer und Regionalwirtschaft

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Nach mona­te­lan­gen, teils eska­lier­ten Aus­ein­an­der­set­zun­gen und geschei­ter­ten Ver­hand­lun­gen hat ein Schlich­tungs­kom­pro­miss die Zukunft des Bosch-Werks in Hil­des­heim gesi­chert. Die­se Eini­gung, erzielt zwi­schen dem Unter­neh­men, der IG Metall und dem Betriebs­rat, ist ein weg­wei­sen­des Bei­spiel für die Bedeu­tung von Arbeit­neh­mer­rech­ten und die Macht der Gewerk­schaf­ten in Zei­ten des indus­tri­el­len Wan­dels. Sie bewahrt den Stand­ort vor der Schlie­ßung und gibt der Regio­nal­wirt­schaft Hil­des­heim eine Per­spek­ti­ve, auch wenn sie mit schmerz­haf­ten Ein­schnit­ten ver­bun­den ist.

Einigung nach zähem Ringen: Der Kompromiss im Detail

Die Ver­hand­lun­gen über die Zukunft des Bosch-Werks in Hil­des­heim waren von gro­ßer Unsi­cher­heit geprägt. Ursprüng­lich hat­te Bosch im Novem­ber 2024 ange­kün­digt, bis 2032 rund 750 Arbeits­plät­ze am Stand­ort Hil­des­heim im Bereich Elek­tro­mo­bi­li­tät strei­chen zu wol­len, davon 600 bereits bis Ende 2026. Dies stieß auf erheb­li­chen Wider­stand bei den Arbeit­neh­mer­ver­tre­tern. Die IG Metall kri­ti­sier­te das Vor­ge­hen des Kon­zerns, ohne kon­kre­te Alter­na­ti­ven oder eine Visi­on für den Stand­ort vor­zu­le­gen, was zu gro­ßer Ent­täu­schung bei den Beschäf­tig­ten führ­te.

Der nun erziel­te Kom­pro­miss sieht vor, dass das Bosch-Werk in Hil­des­heim lang­fris­tig erhal­ten bleibt und mit neu­en Pro­jek­ten gesi­chert wer­den soll. Zugleich wird die Beleg­schaft redu­ziert: Bis Ende 2027 sol­len 550 Stel­len sozi­al­ver­träg­lich abge­baut wer­den, ins­ge­samt rund 680 bis 2032. Dies bedeu­tet eine Redu­zie­rung von den der­zeit etwa 1.100 Mit­ar­bei­ten­den.

Ein zen­tra­ler Erfolg des Kom­pro­mis­ses ist der Aus­schluss betriebs­be­ding­ter Kün­di­gun­gen bis Ende 2027. Für die Zeit danach garan­tiert eine ver­bind­li­che Min­dest­hal­te­li­nie von rund 420 Arbeits­plät­zen bis 2032 eine ver­läss­li­che Beschäf­ti­gungs­per­spek­ti­ve. Die­ser Schutz­me­cha­nis­mus unter­streicht die sozia­le Ver­ant­wor­tung des Unter­neh­mens und die Wirk­sam­keit der Tarif­ver­hand­lun­gen. Die Redu­zie­rung des Per­so­nals soll über Frei­wil­li­gen­pro­gram­me mit sozi­al abge­fe­der­ten Anrei­zen erfol­gen.

Die Rolle von Arbeitnehmerrechten und Betriebsratsmacht

Die Ver­hand­lun­gen in Hil­des­heim ver­deut­li­chen die uner­läss­li­che Rol­le von star­ken Arbeit­neh­mer­ver­tre­tun­gen und der IG Metall bei der Gestal­tung des indus­tri­el­len Wan­dels. Der Betriebs­rat und die Gewerk­schaft for­der­ten nicht nur einen Sozi­al­plan, son­dern eine umfas­sen­de Stra­te­gie für das Über­le­ben des Stand­orts und sei­ner Beschäf­tig­ten. Nach dem Schei­tern der betrieb­li­chen Gesprä­che im Som­mer 2025 wur­de die tarif­li­che Schlich­tungs­stel­le ange­ru­fen, was einen Schritt zurück an den Ver­hand­lungs­tisch bedeu­te­te und letzt­lich die Lösung ermög­lich­te.

Betriebs­rats­chef Ste­fan Stör­mer beton­te, dass es gelun­gen sei, die Fer­ti­gung von Kom­po­nen­ten für Elek­tro­mo­to­ren am Stand­ort zu sichern und den Per­so­nal­ab­bau so gering wie mög­lich zu hal­ten. Thors­ten Grö­ger, Bezirks­lei­ter der IG Metall, bewer­te­te das Ergeb­nis als „trag­fä­hi­gen Kom­pro­miss“, der zwar zu einem klei­ne­ren Stand­ort füh­re, aber Wert­schöp­fung, Pro­duk­ti­on und Beschäf­ti­gung vor Ort erhal­te. Die­se Ergeb­nis­se zei­gen, wie geleb­te Mit­be­stim­mung und kol­lek­ti­ve Ver­hand­lun­gen Här­te­fäl­le abfe­dern und lang­fris­ti­ge Per­spek­ti­ven schaf­fen kön­nen.

Zukunftsgestaltung für den Industriestandort Hildesheim

Das Bosch-Werk in Hil­des­heim soll wei­ter­hin Kom­po­nen­ten für Elek­tro­mo­to­ren fer­ti­gen und sei­ne Rol­le als „Kom­pe­tenz­zen­trum“ im inter­na­tio­na­len Fer­ti­gungs­ver­bund von Bosch fes­ti­gen. Bosch plant, neue Pro­jek­te in Hil­des­heim anzu­sie­deln, wobei die Wie­der­her­stel­lung der Wett­be­werbs­fä­hig­keit als Vor­aus­set­zung gilt. Hier­zu wol­len Unter­neh­men und Arbeit­neh­mer­ver­tre­tung die Lage regel­mä­ßig gemein­sam bewer­ten.

Die Robert Bosch GmbH in Hil­des­heim öff­net sich zudem für exter­ne Part­ner, indem sie aus­ge­wähl­te Kom­pe­ten­zen und Fer­ti­gungs­ka­pa­zi­tä­ten Start-ups, KMU und Hoch­schu­len zur Ver­fü­gung stellt. Dies umfasst Berei­che wie Elek­tro­mo­bi­li­tät, Pro­to­ty­pen­bau, Prä­zi­si­ons­werk­zeu­ge und Klein­se­ri­en­fer­ti­gung. Die­se Initia­ti­ve, geför­dert durch die Wirt­schafts­för­de­rungs­ge­sell­schaft Hil­des­heim Regi­on (HI-REG) und die Auto­mo­ti­ve Agen­tur Nie­der­sach­sen, bie­tet eine Chan­ce zur Diver­si­fi­zie­rung und Stär­kung des regio­na­len Indus­trie­stand­orts über Bosch hin­aus. Unter­neh­men aus der Regi­on haben bereits posi­ti­ve Reso­nanz gezeigt.

Bedeutung für die Regionalwirtschaft

Der Bosch-Stand­ort Hil­des­heim ist als größ­ter Arbeit­ge­ber von über­ra­gen­der Bedeu­tung für die gesam­te Regi­on und ihren Wirt­schafts­stand­ort. Die Stadt Hil­des­heim hat in der Ver­gan­gen­heit sogar dar­auf ver­zich­tet, ande­re gro­ße Unter­neh­men anzu­sie­deln, um stets aus­rei­chend Fach­kräf­te für Bosch bereit­zu­stel­len. His­to­risch gese­hen hat Bosch in Hil­des­heim bereits erheb­li­che Ein­schnit­te erlebt, von einst rund 14.000 Beschäf­tig­ten (ein­schließ­lich Blau­punkt) Ende der 90er Jah­re auf einen Bruch­teil heu­te. Jeder wei­te­re Abbau von Mit­ar­bei­ten­den birgt die Gefahr einer Abwärts­spi­ra­le für den Stand­ort.

Der aktu­el­le Kom­pro­miss, obwohl mit Stel­len­ab­bau ver­bun­den, ist daher ein ent­schei­den­des Signal für die Sta­bi­li­tät und wei­te­re Ent­wick­lung der Regio­nal­wirt­schaft. Er zeigt, dass durch gemein­sa­me Anstren­gun­gen von Unter­neh­men, Gewerk­schaf­ten und Poli­tik der Wan­del aktiv gestal­tet wer­den kann, anstatt ihn pas­siv zu erlei­den.

Soziale Verantwortung als Grundpfeiler

Die Eini­gung in Hil­des­heim spie­gelt auch die tie­fe Ver­an­ke­rung sozia­ler Ver­ant­wor­tung in der Unter­neh­mens­kul­tur von Bosch wider. Die Über­nah­me von Ver­ant­wor­tung gegen­über der Gesell­schaft und künf­ti­gen Gene­ra­tio­nen hat bei Bosch eine lan­ge Tra­di­ti­on, die bis zu Robert Bosch selbst zurück­reicht, der als Vor­rei­ter bei sozia­len Pro­gram­men galt. Das Unter­neh­men betont die Kom­bi­na­ti­on öko­no­mi­scher Ziel­set­zun­gen mit sozia­len und öko­lo­gi­schen Dimen­sio­nen. Die Siche­rung des Stand­orts und der Aus­schluss betriebs­be­ding­ter Kün­di­gun­gen sind kon­kre­te Aus­drü­cke die­ser Ver­ant­wor­tung, die den Kern­ar­beits­nor­men der Inter­na­tio­na­len Arbeits­or­ga­ni­sa­ti­on (IAO) ent­spre­chen.

Fazit

Der erziel­te Kom­pro­miss am Bosch-Stand­ort Hil­des­heim ist ein Mei­len­stein in der deut­schen Indus­trie­po­li­tik und Arbeit­neh­mer­ver­tre­tung. Er zeigt ein­drucks­voll, wie durch ent­schlos­se­ne Tarif­ver­hand­lun­gen, die kon­se­quen­te Aus­übung von Betriebs­rats­macht und ein Bekennt­nis zur sozia­len Ver­ant­wor­tung eines Unter­neh­mens ein Indus­trie­stand­ort in Zei­ten des Struk­tur­wan­dels gesi­chert wer­den kann. Obwohl der Per­so­nal­ab­bau schmerz­haft ist, bewahrt die Ver­ein­ba­rung den Kern der Pro­duk­ti­on, sichert lang­fris­tig Arbeits­plät­ze und eröff­net durch neue Koope­ra­ti­ons­mo­del­le mit der Regio­nal­wirt­schaft Per­spek­ti­ven für die Zukunft. Die­ser Fall steht bei­spiel­haft dafür, dass kon­struk­ti­ve Zusam­men­ar­beit zwi­schen allen Stake­hol­dern der Schlüs­sel zur Bewäl­ti­gung kom­ple­xer wirt­schaft­li­cher Her­aus­for­de­run­gen und zur Gestal­tung einer nach­hal­ti­gen Zukunft ist.

Weiterführende Quellen

https://www.anwalt.de/rechtstipps/bosch-baut‑5–550-arbeitsplaetze-ab-davon‑3–800-in-deutschland-234809.html

https://nieder-sachsen-anhalt.igmetall.de/Aktuelles/2025/zukunft-des-bosch-werkshildesheim

https://www.focus.de/finanzen/news/bosch-werk-in-hildesheim-bleibt-aber-680-stellen-fallen-weg_6ab51255-759a-4dbe-baba-b8b6d13cb7cf.html

https://www.staatsanzeiger.de/nachrichten/wirtschaft/bosch-werk-in-hildesheim-bleibt-680-stellen-fallen-weg/