Die Robert Bosch GmbH, ein Traditionsunternehmen der deutschen Industrie, steht vor einer ihrer größten Transformationen. Angesichts eines massiven Strukturwandels in der Automobilindustrie, dem Übergang zur Elektromobilität und einem verschärften globalen Wettbewerb sieht sich der Konzern gezwungen, tiefgreifende Maßnahmen zur Kostensenkung und Neuausrichtung zu ergreifen. Diese führen zu erheblichen Herausforderungen für die Belegschaft und intensive Auseinandersetzungen mit den Arbeitnehmervertretungen.
Massiver Stellenabbau in der Mobility-Sparte
Bosch plant, bis 2030 zusätzlich bis zu 13.000 Arbeitsplätze in Deutschland abzubauen, insbesondere in seiner Kernsparte Mobility. Dieser Schritt erfolgt zusätzlich zu bereits kommunizierten Reduzierungen und ist eine Reaktion auf stagnierende Automobilmärkte, den verlangsamten Hochlauf neuer Technologien wie Elektromobilität und Wasserstoffantriebe sowie immensen Preis- und Wettbewerbsdruck, der auch durch chinesische Hersteller verstärkt wird. Personalchef Stefan Grosch betonte die Dringlichkeit der Maßnahmen, um die jährlichen Kosten um 2,5 Milliarden Euro zu senken und die Wettbewerbsfähigkeit von Bosch Mobility und des Gesamtkonzerns zu sichern.
Betroffene Standorte und ihre Herausforderungen
Der geplante Stellenabbau trifft mehrere deutsche Standorte hart:
- Stuttgart-Feuerbach: Rund 3.500 Arbeitsplätze sollen bis 2030 entfallen. Hier machen sich der weltweit zurückgehende Dieselanteil und die zu geringe Nachfrage nach Wasserstofftechnik bemerkbar, was zu einer Unterauslastung der Produktion führt.
- Schwieberdingen: Etwa 1.750 Stellen sind aufgrund schwacher Auftragslagen und langsamer Einführung neuer Technologien betroffen.
- Waiblingen: Ein Werk mit etwa 560 Mitarbeitenden, das Steckverbinder für die Automobilindustrie produziert, soll bis 2030 vollständig geschlossen werden. Ausgenommen sind die dort ansässigen Tochtergesellschaften Bosch Healthcare Solutions und Bosch Industrial Additive Manufacturing.
- Bühl/Bühlertal: Hier rechnet Bosch mit einem Anpassungsbedarf von rund 1.550 Stellen bis Ende 2030, betroffen sind diverse Funktionen von Vertrieb bis Fertigung.
- Homburg: Der Standort plant den Abbau von rund 1.250 Stellen bis 2030.
- Reutlingen/Kusterdingen: Trotz Investitionen in die Halbleiterproduktion sind hier bis Ende 2029 bis zu 1.100 Stellen in den Wertströmen Lenkung und Radar in Gefahr, begründet durch zunehmenden Markt- und Wettbewerbsdruck im Bereich der Steuergeräte.
Dieser massive Abbau löst tiefe Besorgnis aus und wird von den Arbeitnehmervertretungen scharf kritisiert.
Widerstand von IG Metall und Betriebsrat
Die Gewerkschaft IG Metall und die Betriebsräte haben massiven Widerstand gegen die Abbaupläne angekündigt. Sie kritisieren die historische Größenordnung des Personalabbaus ohne gleichzeitige Zusagen zur Sicherung der deutschen Standorte und sprechen von einem „sozialen Kahlschlag“. Die Erste Vorsitzende der IG Metall, Christiane Benner, warf dem Bosch-Management vor, die Werte des Unternehmens mit Füßen zu treten. Betriebsräte kämpfen wie „Löwen“ für die Belegschaften und fordern, dass die Transformation nicht einseitig auf Kosten der Mitarbeitenden geht.
Ein „Zukunftstarifvertrag“ hatte ursprünglich betriebsbedingte Kündigungen an den tarifgebundenen deutschen Mobility-Standorten bis Ende 2027 ausgeschlossen. Die nun angekündigten Maßnahmen erstrecken sich jedoch bis 2030, was die Verhandlungen um die soziale Verträglichkeit und den Erhalt von Arbeitsplätzen intensiviert.
Sozialverträglicher Stellenabbau und Reskilling-Programme
Bosch betont, den Stellenabbau so sozialverträglich wie möglich gestalten zu wollen. Dies könnte durch Maßnahmen wie freiwillige Aufhebungsverträge mit Abfindungen, Altersteilzeitregelungen oder interne Versetzungen geschehen. Allerdings zweifelt die IG Metall in Reutlingen, ob ein Abbau in der angekündigten Größenordnung tatsächlich sozialverträglich umsetzbar ist.
Gleichzeitig investiert Bosch massiv in die Zukunft der Arbeit und den Fachkräftewandel durch umfangreiche Reskilling- und Weiterbildungsprogramme. Das Unternehmen plant, bis 2026 rund 2 Milliarden Euro in die Umschulung eines Teils seiner 400.000 Mitarbeitenden zu investieren. Ziel ist es, Mitarbeitende fit für neue Technologien und Rollen zu machen, etwa indem Mechaniker zu Softwareentwicklern und Fachkräfte aus der Verbrennungstechnologie zu Experten für Elektromobilität umgeschult werden. Diese Investitionen sind entscheidend, um den Anforderungen der Digitalisierung und der KI-Revolution gerecht zu werden. Bosch Training Center an sieben Standorten weltweit fördern diese Unternehmenskultur des lebenslangen Lernens.
Leuchtturm Reutlingen: Expansion in der Halbleiterproduktion
Während viele Bereiche schrumpfen, erlebt der Standort Reutlingen eine gegenläufige Entwicklung im Bereich der Halbleiterproduktion. Bosch hat die wachsende Bedeutung von Mikroelektronik frühzeitig erkannt und investiert Milliarden in seine Halbleitersparte. Bis 2026 sollen im Rahmen des IPCEI-Förderprogramms Mikroelektronik und Kommunikationstechnologie weitere drei Milliarden Euro investiert werden.
In Reutlingen werden seit Ende 2021 Siliziumkarbid-Chips (SiC) in Serie gefertigt, die für die Leistungselektronik in Elektro- und Hybridautos entscheidend sind und die Reichweite von Elektrofahrzeugen um bis zu sechs Prozent steigern können. Die Nachfrage nach SiC-Chips ist hoch, die Auftragsbücher von Bosch sind voll, und der Markt wächst stark. Entsprechend wird die Reinraumfläche in Reutlingen von rund 35.000 Quadratmetern bis Ende 2025 auf über 44.000 Quadratmeter erweitert, unter anderem durch einen neuen Gebäudeteil und Investitionen von über einer Viertelmilliarde Euro bis 2025. Hier sichern hohe Automatisierung und der Einsatz Künstlicher Intelligenz nicht nur die Produktion, sondern auch langfristig Arbeitsplätze. Reutlingen steht somit beispielhaft für die strategische Neuausrichtung von Bosch hin zu Zukunftstechnologien.
Fazit
Bosch befindet sich in einer komplexen und schmerzhaften Phase der Restrukturierung. Der massive Stellenabbau in der Mobility-Sparte ist eine direkte Folge des Wandels in der Automobilindustrie und des globalen Wettbewerbs. Während die IG Metall und Betriebsräte vehement für den Erhalt von Arbeitsplätzen und sozialverträgliche Lösungen kämpfen, setzt Bosch auf eine zweigleisige Strategie: Kosten senken durch Personalabbau in traditionellen Bereichen und gleichzeitig massiv in Zukunftstechnologien sowie in die Qualifikation der Mitarbeitenden investieren. Die Expansion der Halbleiterproduktion in Reutlingen und die umfangreichen Reskilling-Programme sind klare Indikatoren für diesen strategischen Fokus auf die Zukunft der Arbeit und die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit in einer sich schnell verändernden Welt. Die kommenden Jahre werden zeigen, wie erfolgreich Bosch diesen Spagat meistert und wie viele Arbeitsplätze durch Umschulung und neue Geschäftsbereiche langfristig erhalten oder neu geschaffen werden können.
Weiterführende Quellen
https://industriemagazin.at/news/bosch-stellenabbau-deutschland-13000-jobs-sparprogramm-2025/





