Schein­selbst­stän­dig­keit: BSG ver­schärft Regeln für Free­lan­cer und Pilo­ten

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Die Risi­ken der Schein­selbst­stän­dig­keit sind nicht zu unter­schät­zen, beson­ders wenn Ver­trags­ver­hält­nis­se fälsch­li­cher­wei­se als selbst­stän­di­ge Tätig­keit ein­ge­stuft wer­den. Ein aktu­el­les Urteil des Bun­des­so­zi­al­ge­richts (BSG) hat die Debat­te um den sozi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­chen Sta­tus von Free­lan­cern neu ent­facht. Das BSG bestä­tig­te im Fall eines Pilo­ten erneut, dass die stren­ge Recht­spre­chung zur Abgren­zung zwi­schen abhän­gi­ger Beschäf­ti­gung und Selbst­stän­dig­keit gilt. Die­se Ent­schei­dung unter­streicht die Not­wen­dig­keit einer genau­en Prü­fung der Abgren­zungs­kri­te­ri­en. Selbst ver­meint­lich ein­deu­ti­ge Fäl­le kön­nen sich durch eine stär­ke­re Gewich­tung ein­zel­ner Aspek­te schnell in das Gegen­teil ver­keh­ren. Die­ses Urteil, das sich spe­zi­ell auf den Pilo­ten­be­ruf bezieht, zeigt die zuneh­men­de Stren­ge der Recht­spre­chung auf und stellt tra­di­tio­nel­le Ansich­ten in Fra­ge.

Die Abgren­zungs­kri­te­ri­en: Beschäf­ti­gung vs. Selbst­stän­dig­keit

Die Unter­schei­dung zwi­schen abhän­gi­ger Beschäf­ti­gung und selbst­stän­di­ger Tätig­keit ist von ent­schei­den­der Bedeu­tung. Laut § 7 Abs. 1 SGB IV liegt eine sozi­al­ver­si­che­rungs­pflich­ti­ge Beschäf­ti­gung vor, wenn eine per­sön­li­che Abhän­gig­keit besteht. Die­se ist gekenn­zeich­net durch die Ein­glie­de­rung in einen Betrieb und die Wei­sungs­ge­bun­den­heit hin­sicht­lich Zeit, Ort und Art der Aus­füh­rung. Eine selbst­stän­di­ge Tätig­keit hin­ge­gen zeich­net sich durch das eige­ne Unter­neh­mer­ri­si­ko, das Vor­han­den­sein einer eige­nen Betriebs­stät­te, die freie Ver­fü­gung über die eige­ne Arbeits­kraft und eine fle­xi­ble Arbeits­zeit­ge­stal­tung aus. Ent­schei­dend ist hier­bei die tat­säch­li­che Ver­trags­durch­füh­rung, nicht allein die schrift­li­chen Ver­ein­ba­run­gen. Die Recht­spre­chung nimmt eine Gesamt­wür­di­gung aller maß­geb­li­chen Umstän­de vor, wobei das Vor­han­den­sein eines ein­zel­nen gewich­ti­gen Kri­te­ri­ums bereits auf eine Schein­selbst­stän­dig­keit hin­wei­sen kann.

Der Fall des Pilo­ten: BSG Urteil und sei­ne Kon­se­quen­zen

Im kon­kre­ten Fall eines Pilo­ten, der als „Free­lan­cer“ für ein Unter­neh­men tätig war, hat das BSG ein sozi­al­ver­si­che­rungs­pflich­ti­ges Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nis bejaht. Obwohl der Pilot sei­ne Ein­sät­ze indi­vi­du­ell ver­ein­ba­ren konn­te und kei­ne Wei­sungs­be­fug­nis­se hat­te, wog der Umstand schwer, dass ihm das Flug­zeug als Betriebs­mit­tel vom Unter­neh­men zur Ver­fü­gung gestellt wur­de. Die Vor­in­stanz hat­te das noch anders gese­hen, aber das Hes­si­sche Lan­des­so­zi­al­ge­richt und spä­ter das BSG bestä­tig­ten die abhän­gi­ge Beschäf­ti­gung. Das BSG wen­de­te sich damit von sei­ner bis­he­ri­gen Recht­spre­chung ab, nach der das Bereit­stel­len des Flug­zeugs nicht als ent­schei­den­des Kri­te­ri­um galt. Dies bedeu­tet fak­tisch, dass Pilo­ten, denen die Flug­zeu­ge als Arbeits­mit­tel gestellt wer­den, kaum mehr als selbst­stän­di­ge Tätig­keit arbei­ten kön­nen. Die Ent­schei­dung mar­kiert eine stren­ge­re Linie des BSG und wirft Fra­gen nach der Bedeu­tung von Arbeits­mit­teln im Rah­men der Abwä­gung auf.

Die Aus­wir­kun­gen auf Unter­neh­men und Free­lan­cer

Für Unter­neh­men und Free­lan­cer birgt die Ent­schei­dung des BSG erheb­li­che Kon­se­quen­zen. Eine Fehl­ein­schät­zung der Selbst­stän­dig­keit kann nicht nur arbeits­recht­li­che, son­dern auch sozial‑, steu­er- und unter Umstän­den sogar straf­recht­li­che Fol­gen für Arbeit­ge­ber haben. Die Unter­neh­men müs­sen ihre Ver­trä­ge und die tat­säch­li­che Umset­zung genau­es­tens über­prü­fen, um sozi­al­ver­si­che­rungs­pflich­ti­ge Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nis­se zu ver­mei­den. Die Ent­schei­dung zeigt, dass nicht nur die for­ma­le Ver­trags­ge­stal­tung, son­dern auch die geleb­te Pra­xis ent­schei­dend ist. Der Gestal­tungs­spiel­raum für Unter­neh­men und ihre „Free­lan­cer“ ist durch die stren­ge­re Aus­le­gung der BSG-Recht­spre­chung klei­ner gewor­den. Eine sorg­fäl­ti­ge Prü­fung der Abgren­zungs­kri­te­ri­en und eine ent­spre­chen­de Anpas­sung von Ver­trä­gen und Abläu­fen sind daher uner­läss­lich, um Risi­ken zu mini­mie­ren.

Die Rol­le der Betriebs­mit­tel in der Abwä­gung

Die Ent­schei­dung des BSG ver­deut­licht, dass die Nut­zung von Betriebs­mit­teln des Auf­trag­ge­bers eine wesent­li­che Rol­le bei der Abwä­gung zwi­schen abhän­gi­ger Beschäf­ti­gung und selbst­stän­di­ger Tätig­keit spie­len kann. Im Fall des Pilo­ten wur­de dem Flug­zeug als kos­ten­in­ten­si­vem Arbeits­mit­tel eine über­pro­por­tio­na­le Bedeu­tung bei­gemes­sen. Die­se Gewich­tung steht in gewis­sem Kon­trast zur Arbeits­ge­richts­bar­keit, die in ähn­li­chen Kon­stel­la­tio­nen eher Zurück­hal­tung übt. Es bleibt abzu­war­ten, ob das BSG die­ser Linie treu bleibt oder ob es die Rol­le von Betriebs­mit­teln in der Gesamt­wür­di­gung künf­tig etwas rela­ti­viert. Der aktu­el­le Fall lässt ver­mu­ten, dass die Nut­zung von Betriebs­mit­teln des Arbeit­ge­bers zukünf­tig ein ent­schei­den­de­res oder zumin­dest ein sehr gewich­ti­ges Kri­te­ri­um bei der Ent­schei­dung sein wird.

Aus­blick

Die Ent­schei­dung des BSG hin­ter­lässt einen Ein­druck zuneh­men­der Stren­ge bei der Beur­tei­lung von Schein­selbst­stän­dig­keit. Es wird sich zei­gen, ob das BSG auch in zukünf­ti­gen Fäl­len die Nut­zung von Betriebs­mit­teln des Auf­trag­ge­bers wei­ter­hin eine so her­aus­ra­gen­de Stel­lung ein­räu­men wird. Unter­neh­mer und Mit­ar­bei­ter soll­ten ihre Ver­trä­ge und die tat­säch­li­che Zusam­men­ar­beit sorg­fäl­tig prü­fen und anpas­sen, um Risi­ken zu ver­mei­den. Die Recht­spre­chung hat gezeigt, dass die Beur­tei­lung von Schein­selbst­stän­dig­keit kom­plex und im Ein­zel­fall schwer vor­her­seh­bar sein kann. Es ist daher uner­läss­lich, sich mit den aktu­el­len Abgren­zungs­kri­te­ri­en aus­ein­an­der­zu­set­zen und im Zwei­fels­fall recht­li­chen Rat ein­zu­ho­len.

Fazit

Das Urteil des BSG zu dem Pilo­ten zeigt, dass die Recht­spre­chung bei der Beur­tei­lung von Schein­selbst­stän­dig­keit immer stren­ger wird. Free­lan­cer, ins­be­son­de­re Pilo­ten, soll­ten sich der stren­ge­ren Abgren­zungs­kri­te­ri­en bewusst sein. Arbeit­ge­ber müs­sen ihre Ver­trä­ge und deren tat­säch­li­che Umset­zung sorg­fäl­tig prü­fen und anpas­sen, vor allem im Hin­blick auf die Bereit­stel­lung von Betriebs­mit­teln. Die Ent­schei­dung des BSG unter­streicht, dass Vor­sicht gebo­ten ist, um das Risi­ko einer Fehl­ein­stu­fung zu mini­mie­ren. Es ist rat­sam, recht­li­che Bera­tung in Anspruch zu neh­men, um die not­wen­di­ge Rechts­si­cher­heit zu erlan­gen und nicht in Kon­flikt mit den Geset­zen und dem Sozi­al­ver­si­che­rungs­recht zu gera­ten.