Die Arbeitswelt befindet sich in einem rasanten Umbruch, getrieben von Digitalisierung und dem Einzug Künstlicher Intelligenz (KI). Für Betriebsräte bedeutet dies nicht nur neue Herausforderungen, sondern vor allem die Chance, die Transformation aktiv und im Sinne der Belegschaft zu gestalten. Dies erfordert ein tiefgreifendes Verständnis für technologische Entwicklungen und die Bereitschaft, die eigene Rolle sowie die Weiterbildungskonzepte im Unternehmen strategisch neu auszurichten.
Die Rolle des Betriebsrats in der digitalen Transformation
Die Digitalisierung umfasst die Umwandlung analoger Prozesse in digitale Abläufe und beeinflusst alle Bereiche der Arbeitswelt, von der Produktion bis zum Büro. Neue Software und IT-Systeme bieten theoretisch die Möglichkeit, die Leistung von Arbeitnehmern zu messen und zu dokumentieren. Hier kommt dem Betriebsrat ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht zu, selbst wenn der Arbeitgeber keine direkte Kontrolle beabsichtigt, aber die technische Möglichkeit dazu besteht (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG).
Betriebsräte können einen erheblichen Einfluss auf digitale Veränderungsprozesse ausüben, indem sie die Interessen der Mitarbeiter vertreten und betriebliche Notwendigkeiten vermitteln. Sie sind gefordert, eine klare Strategie für die digitale Zukunft des Betriebs zu entwickeln und dabei sowohl die Mitarbeiterinteressen als auch die Wirtschaftlichkeit zu berücksichtigen. Die Mitbestimmung des Betriebsrats ist ein fundamentaler Erfolgsfaktor für die Akzeptanz und den nachhaltigen Mehrwert digitaler Anwendungen wie Mitarbeiter-Apps. Wichtige Themenfelder, die der Betriebsrat im Zuge der Digitalisierung bearbeitet, sind Datenschutz, Arbeits- und Gesundheitsschutz, Qualifizierung und Weiterbildung, sowie mobile und agile Arbeit.
KI-Kompetenzen als Schlüssel zur Mitgestaltung
Künstliche Intelligenz kann Arbeitsabläufe effizienter gestalten und Beschäftigte entlasten, beispielsweise durch die Automatisierung von Routinetätigkeiten. Gleichzeitig bringt sie neue Herausforderungen mit sich, wie die Veränderung von Arbeitsplätzen oder Risiken durch fehlerhafte KI-Entscheidungen und Überwachung. Hier sind Betriebsräte gefragt, die Chancen aktiv mitzugestalten, Regeln zur fairen Nutzung von KI zu vereinbaren, Missbrauch zu verhindern und Weiterbildungen für die Beschäftigten zu fördern.
Mit dem Inkrafttreten wichtiger Regelungen des AI Acts ab Februar 2025 sind Unternehmen zur Fort- und Weiterbildung ihrer Arbeitnehmer im Bereich KI verpflichtet. Studien zeigen einen dringenden Nachholbedarf an KI-Kompetenzen in der Belegschaft. Betriebsräte haben weitreichende Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte bei der Fort- und Weiterbildung der Arbeitnehmer (nach §§ 92 bis 98 des Betriebsverfassungsgesetzes). Sie müssen den Schulungsbedarf ermitteln, festlegen, welche KI-Systeme betroffen sind und wie komplex die Anwendungen sind. Es ist zudem entscheidend, dass KI-Schulungen nicht isoliert stattfinden, sondern in die gesamte Personalentwicklungsstrategie des Unternehmens integriert werden. Bei der Einführung von KI-Systemen kann der Betriebsrat auch auf Sachverständige zurückgreifen, um die Auswirkungen auf die Beschäftigten zu beurteilen und mitzugestalten (§ 80 Abs. 3 BetrVG).
Arbeit 4.0 und die Notwendigkeit kontinuierlicher Weiterbildung
Arbeit 4.0 beschreibt eine digitalisierte und vernetzte Arbeitswelt, die nicht nur technologische Herausforderungen, sondern auch die Bedürfnisse der Arbeitnehmer in den Fokus rückt. Der Betriebsrat spielt eine zentrale Rolle dabei, die Belegschaft fit für die Arbeit von morgen zu machen. Dies betrifft insbesondere die Qualifizierung von Beschäftigten, um den Anforderungen neuer Berufsbilder und veränderter Arbeitsabläufe gerecht zu werden.
Betriebsräte tragen maßgeblich dazu bei, dass überhaupt Weiterbildung stattfindet. Besonders profitieren Beschäftigte mit einfachen Tätigkeiten und in Betrieben mit technologischem Nachholbedarf von der Mitbestimmung bei der Weiterbildung. Die aktive Gestaltung von Veränderungen und das Eintreten für das Wohl aller Beschäftigten sind dabei zentrale Aufgaben.
Zukünftige Lernformen: Blended Learning und Digitale Lernökosysteme
Die Digitalisierung beeinflusst auch die Art und Weise, wie gelernt wird. E‑Learning als Oberbegriff für digitales Lernen (Online-Kurse, virtuelle Klassenräume, interaktive Lernplattformen) ermöglicht flexibles und ortsunabhängiges Lernen. Ein wesentlicher Trend ist Blended Learning, welches die Vorteile von E‑Learning mit Präsenzveranstaltungen kombiniert.
Blended-Learning-Formate bieten eine innovative Mischung aus:
- Flexiblen Selbstlernphasen mit Materialien auf Online-Lernplattformen wie dem OnlineBiZ, oft ergänzt durch Lerngruppen oder Lern-Tandems.
- Interaktiven Online-Workshops mit Live-Sessions, die Theorie und Praxis verbinden und Raum für Fragen und Austausch bieten.
- Intensiven Präsenzworkshops, die der Vertiefung von Kenntnissen, dem sozialen Miteinander und dem Erfahrungsaustausch dienen.
Der Betriebsrat hat auch bei der Einführung von E‑Learning und digitalen Lernformen umfassende Mitbestimmungsrechte, insbesondere nach §§ 96 bis 98 BetrVG und, wenn Systeme zur Leistungs- oder Verhaltenskontrolle genutzt werden, nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Ein kritischer Punkt ist der Datenschutz, da bei digitaler Personalentwicklung oft Mitarbeiterdaten erhoben und abgespeichert werden. Betriebsräte sollten daher darauf achten, dass eine Betriebsvereinbarung zum E‑Learning abgeschlossen wird, die den Schutz der Mitarbeiter vor technischer Überwachung sicherstellt und den Umgang mit Daten klärt.
Digitale Lernökosysteme umfassen dabei mehr als nur einzelne Kurse. Sie integrieren Lernplattformen, interne und externe Wissensdatenbanken sowie digitale Bildungstools, um ein ganzheitliches und flexibles Lernumfeld zu schaffen. Die Einbeziehung des Betriebsrats in die Entwicklung der Lernkultur und die Gestaltung solcher Systeme ist essenziell für eine zukunftsfähige betriebliche Bildung.
Strategische Personalentwicklung mit Betriebsrat
Strategische Personalplanung ist die langfristige und vorausschauende Steuerung der Personalressourcen eines Unternehmens, die über den bloßen Personalbedarf hinausgeht und Maßnahmen zur Personalentwicklung, ‑bindung und ‑gewinnung umfasst. Der Betriebsrat spielt hier eine entscheidende Rolle, nicht nur aufgrund seiner gesetzlichen Verankerung, sondern auch durch seine Nähe zur Belegschaft und sein betriebliches Know-how.
Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats in der Personalentwicklung sind vielfältig. Sie umfassen Unterrichtungs‑, Beratungs- und Anhörungsrechte sowie Zustimmungsvorbehalte bei Maßnahmen der Personalentwicklung (z.B. nach §§ 92, 94, 95, 96–98 BetrVG). Betriebsräte können dem Arbeitgeber Vorschläge zur Sicherung und Förderung der Beschäftigung machen, die beispielsweise flexible Arbeitszeiten, neue Formen der Arbeitsorganisation oder die Qualifizierung der Arbeitnehmer zum Gegenstand haben (§ 92a BetrVG).
Um eine erfolgreiche Personalentwicklung zu gewährleisten, sollte der Betriebsrat proaktiv eine eigene Strategie und ein Konzept entwickeln, das auf die Unternehmensstrategie abgestimmt ist. Dabei geht es nicht nur um einzelne Trainings, sondern um ein integriertes Vorgehen, das Anforderungsprofile, Analysen, Förderprogramme, Coaching und Mentoring einschließt. Die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, idealerweise in Arbeitsgruppen, ist der Schlüssel zur Entwicklung und Umsetzung gemeinsam getragener Personalmaßnahmen.
Fazit
Die Digitalisierung und der verstärkte Einsatz von KI verändern die Arbeitswelt grundlegend und stellen Betriebsräte vor komplexe, aber auch gestaltbare Aufgaben. Durch die konsequente Nutzung ihrer Mitbestimmungsrechte können Betriebsräte die digitale Transformation aktiv im Sinne der Beschäftigten begleiten und prägen. Die Förderung von KI-Kompetenzen und die strategische Ausrichtung der Personalentwicklung sind dabei unerlässlich, um Mitarbeiter auf die Anforderungen der Zukunft vorzubereiten. Moderne Lernformen wie Blended Learning und die Schaffung digitaler Lernökosysteme bieten flexible und effektive Wege der Qualifizierung. Eine frühzeitige Einbindung des Betriebsrats, die Klärung von Datenschutzfragen und der Abschluss von Betriebsvereinbarungen sind dabei entscheidende Faktoren für den Erfolg. Nur durch eine proaktive, kompetente und strategisch denkende Betriebsratsarbeit kann die Arbeitswelt 4.0 sozialverträglich und zukunftsfähig gestaltet werden.
Weiterführende Quellen
https://zukunftszentrum-sachsen.de/wissenspool/digitalisierung-mitbestimmung-des-betriebsrats/
https://ibp-akademie.de/ki-und-betriebsrat-rechte-mitbestimmung-und-aktuelle-urteile/
https://www.boeckler.de/de/boeckler-impuls-mehr-weiterbildung-mit-betriebsrat-48102.htm





