Betriebsrat

Betriebs­rats­wahl: Gül­tig­keit trotz redu­zier­ter Kan­di­da­ten­zahl

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Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat in einem weg­wei­sen­den Urteil ent­schie­den, dass eine Betriebs­rats­wahl auch dann gül­tig ist, wenn weni­ger Kan­di­da­ten zur Ver­fü­gung ste­hen, als die gesetz­lich vor­ge­schrie­be­ne Anzahl von Betriebs­rats­mit­glie­dern. In einem Fall, bei dem in einem Betrieb nur drei statt der vor­ge­se­he­nen sie­ben Betriebs­rats­mit­glie­der gewählt wur­den, stell­te das Gericht klar, dass ein sol­cher “klei­ne­rer Betriebs­rat” recht­lich zuläs­sig ist. Die­se Ent­schei­dung betont die Fle­xi­bi­li­tät des Betriebs­ver­fas­sungs­ge­set­zes und des­sen Anpas­sungs­fä­hig­keit an die rea­len Gege­ben­hei­ten in Betrie­ben. Sie hat weit­rei­chen­de Kon­se­quen­zen für die betrieb­li­che Mit­be­stim­mung und die Pra­xis der Betriebs­rats­wah­len, beson­ders in klei­ne­ren Unter­neh­men.

Recht­li­cher Rah­men und aktu­el­le Ent­schei­dung

Recht­li­cher Rah­men der Betriebs­rats­wah­len

Das Betriebs­ver­fas­sungs­ge­setz (BetrVG) regelt die Bil­dung und die Rech­te von Betriebs­rä­ten in Deutsch­land. Ein zen­tra­les Ele­ment die­ser Rege­lun­gen ist die Fest­le­gung der Grö­ße des Betriebs­rats, die abhän­gig von der Anzahl der wahl­be­rech­tig­ten Arbeit­neh­mer im Betrieb ist. Laut § 9 BetrVG besteht der Betriebs­rat in Betrie­ben mit 101 bis 200 wahl­be­rech­tig­ten Arbeit­neh­mern aus sie­ben Mit­glie­dern.

Die Betriebs­rats­wahl selbst ist ein demo­kra­ti­scher Pro­zess, der sicher­stellt, dass die Arbeit­neh­mer eines Unter­neh­mens ihre Ver­tre­ter wäh­len kön­nen. Die­se Ver­tre­ter haben die Auf­ga­be, die Inter­es­sen der Beleg­schaft gegen­über der Unter­neh­mens­lei­tung zu ver­tre­ten. Die Wahl erfolgt nach bestimm­ten gesetz­li­chen Vor­ga­ben, um sicher­zu­stel­len, dass die Wahl frei, geheim und fair abläuft.

Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts

Am 24. April 2024 hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) in Erfurt eine bedeu­ten­de Ent­schei­dung getrof­fen, die weit­rei­chen­de Aus­wir­kun­gen auf die Pra­xis der Betriebs­rats­wah­len haben könn­te (Az. 7 ABR 26/23). Der Fall betraf eine Kli­nik mit etwa 170 Beschäf­tig­ten, die gemäß § 9 BetrVG nor­ma­ler­wei­se einen Betriebs­rat mit sie­ben Mit­glie­dern wäh­len müss­te. Bei der im Früh­jahr 2022 durch­ge­führ­ten Betriebs­rats­wahl stell­ten sich jedoch nur drei Kan­di­da­ten zur Ver­fü­gung.

Der Arbeit­ge­ber hielt die Wahl für unwirk­sam und for­der­te eine ent­spre­chen­de gericht­li­che Fest­stel­lung, da er der Mei­nung war, dass ein Betriebs­rat mit weni­ger als der gesetz­lich vor­ge­schrie­be­nen Mit­glie­der­zahl nicht legi­tim sei. Die Vor­in­stan­zen, ein­schließ­lich des Lan­des­ar­beits­ge­richts Ham­burg, hat­ten die Wahl jedoch für gül­tig erklärt.

Begrün­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts

Das BAG bestä­tig­te die Ent­schei­dun­gen der Vor­in­stan­zen und wies die Rechts­be­schwer­de des Arbeit­ge­bers zurück. Das Gericht argu­men­tier­te, dass der Wil­len des Gesetz­ge­bers ent­schei­dend sei, der in § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG fest­ge­legt habe, dass in Betrie­ben mit min­des­tens fünf stän­dig wahl­be­rech­tig­ten Arbeit­neh­mern ein Betriebs­rat gewählt wer­den kön­ne. Dies gel­te auch dann, wenn nicht genü­gend Kan­di­da­ten für die gesetz­lich vor­ge­se­he­ne Anzahl an Betriebs­rats­mit­glie­dern zur Ver­fü­gung ste­hen.

In sol­chen Fäl­len sei es zuläs­sig, die Betriebs­rats­grö­ße an die Anzahl der zur Ver­fü­gung ste­hen­den Kan­di­da­ten anzu­pas­sen. Kon­kret bedeu­tet dies, dass bei weni­ger Kan­di­da­ten als vor­ge­se­he­ne Betriebs­rats­sit­ze auf die nächst­nied­ri­ge­re Stu­fe der gesetz­li­chen Staf­fe­lung gemäß § 9 BetrVG zurück­ge­gan­gen wird, bis eine unge­ra­de Anzahl an Mit­glie­dern erreicht ist, um die Hand­lungs­fä­hig­keit des Betriebs­rats zu gewähr­leis­ten.

Bedeu­tung der Ent­schei­dung

Die­se Ent­schei­dung des BAG hat erheb­li­che Aus­wir­kun­gen auf die Pra­xis der Betriebs­rats­wah­len in Deutsch­land. Sie stellt sicher, dass die betrieb­li­che Mit­be­stim­mung auch dann gewähr­leis­tet bleibt, wenn nicht genü­gend Kan­di­da­ten für die gesetz­lich vor­ge­se­he­ne Betriebs­rats­grö­ße zur Ver­fü­gung ste­hen. Dadurch wird die Fle­xi­bi­li­tät des Betriebs­ver­fas­sungs­ge­set­zes betont und die betrieb­li­che Pra­xis rea­lis­tisch abge­bil­det.

Für Unter­neh­men bedeu­tet dies, dass sie auch bei gerin­ger Kan­di­da­ten­an­zahl recht­lich abge­si­cher­te Betriebs­rats­wah­len durch­füh­ren kön­nen. Gleich­zei­tig wird den Arbeit­neh­mern die Mög­lich­keit gege­ben, ihre Inter­es­sen­ver­tre­tung zu wäh­len und so die betrieb­li­che Mit­be­stim­mung aktiv mit­zu­ge­stal­ten.

Ins­ge­samt stärkt die­se Ent­schei­dung die Rech­te der Arbeit­neh­mer und unter­streicht die Bedeu­tung einer funk­tio­nie­ren­den Betriebs­rats­struk­tur, unab­hän­gig von der Anzahl der ver­füg­ba­ren Kan­di­da­ten. Es ist ein Schritt hin zu einer pra­xis­ori­en­tier­ten und fle­xi­blen Anwen­dung des Betriebs­ver­fas­sungs­ge­set­zes, die den rea­len Gege­ben­hei­ten in den Betrie­ben gerecht wird.

Prak­ti­sche Aus­wir­kun­gen und Bedeu­tung für Unter­neh­men

Aus­wir­kun­gen auf die betrieb­li­che Pra­xis

Die Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts, dass eine Betriebs­rats­wahl auch mit weni­ger Kan­di­da­ten als gesetz­lich vor­ge­se­hen gül­tig ist, hat erheb­li­che Aus­wir­kun­gen auf die betrieb­li­che Pra­xis, ins­be­son­de­re in klei­nen und mitt­le­ren Unter­neh­men (KMU). Für vie­le Betrie­be stellt die Bil­dung eines voll­stän­di­gen Betriebs­rats eine Her­aus­for­de­rung dar, da oft nicht genü­gend Mit­ar­bei­ten­de bereit sind, sich zur Wahl zu stel­len.

Betrieb­li­che Mit­be­stim­mung ist ein zen­tra­ler Bestand­teil des deut­schen Arbeits­rechts. Sie ermög­licht es den Beschäf­tig­ten, aktiv an der Gestal­tung ihrer Arbeits­be­din­gun­gen mit­zu­wir­ken und Ent­schei­dun­gen des Arbeit­ge­bers zu beein­flus­sen. Die­se Mit­be­stim­mung ist beson­ders wich­tig, um die Inter­es­sen der Arbeit­neh­mer zu wah­ren und Kon­flik­te zwi­schen Beleg­schaft und Unter­neh­mens­füh­rung zu ver­mei­den.

Fle­xi­bi­li­tät und Anpas­sungs­fä­hig­keit

Die Ent­schei­dung des BAG bringt eine wich­ti­ge Fle­xi­bi­li­tät in die Anwen­dung des Betriebs­ver­fas­sungs­ge­set­zes (BetrVG). In Fäl­len, in denen nicht genü­gend Kan­di­da­ten für die gesetz­lich vor­ge­schrie­be­ne Anzahl an Betriebs­rats­mit­glie­dern zur Ver­fü­gung ste­hen, kön­nen Unter­neh­men nun rechts­si­cher auch mit einem klei­ne­ren Betriebs­rat arbei­ten. Dies erleich­tert es ins­be­son­de­re KMU, die betrieb­li­che Mit­be­stim­mung auf­recht­zu­er­hal­ten, ohne gegen gesetz­li­che Vor­ga­ben zu ver­sto­ßen.

Prak­tisch bedeu­tet dies, dass ein Betrieb, der bei­spiels­wei­se sie­ben Betriebs­rats­mit­glie­der wäh­len müss­te, aber nur drei Kan­di­da­ten hat, den­noch eine gül­ti­ge Betriebs­rats­wahl durch­füh­ren kann. Dies ver­hin­dert unnö­ti­ge Rechts­strei­tig­kei­ten und Unsi­cher­hei­ten, die durch eine unvoll­stän­di­ge Kan­di­da­ten­lis­te ent­ste­hen könn­ten.

Bedeu­tung für klei­ne und mitt­le­re Unter­neh­men

Für klei­ne und mitt­le­re Unter­neh­men ist die­se Ent­schei­dung beson­ders rele­vant. In die­sen Betrie­ben ist es oft schwie­ri­ger, genü­gend Mit­ar­bei­ten­de zu fin­den, die sich zur Wahl stel­len wol­len. Die Ent­schei­dung des BAG stellt sicher, dass auch in sol­chen Situa­tio­nen die betrieb­li­che Mit­be­stim­mung nicht beein­träch­tigt wird.

KMU pro­fi­tie­ren davon, dass sie die gesetz­li­chen Anfor­de­run­gen fle­xi­bler hand­ha­ben kön­nen, ohne die Legi­ti­mi­tät ihrer Betriebs­rä­te infra­ge zu stel­len. Dies för­dert nicht nur die Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tung, son­dern trägt auch zur Sta­bi­li­tät und Zufrie­den­heit der Beleg­schaft bei.

Siche­rung der Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tung

Die Siche­rung einer effek­ti­ven Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tung ist ein wesent­li­ches Ziel der Betriebs­rats­wahl. Die Ent­schei­dung des BAG stärkt die­ses Ziel, indem sie sicher­stellt, dass auch bei einer gerin­gen Anzahl von Kan­di­da­ten ein funk­ti­ons­fä­hi­ger Betriebs­rat gebil­det wer­den kann. Dies ver­hin­dert, dass Unter­neh­men ohne eine legi­ti­me Arbeit­neh­mer­ver­tre­tung blei­ben, was zu einer Ver­schlech­te­rung der Arbeits­be­din­gun­gen und einer Zunah­me von Kon­flik­ten füh­ren könn­te.

Für die Arbeit­neh­mer bedeu­tet die­se Ent­schei­dung, dass ihre Inter­es­sen auch in schwie­ri­gen Situa­tio­nen ver­tre­ten blei­ben. Selbst wenn nur weni­ge Kol­le­gen bereit sind, sich als Kan­di­da­ten zur Ver­fü­gung zu stel­len, bleibt der Schutz und die Ver­tre­tung ihrer Rech­te gewähr­leis­tet.

Fazit

Ins­ge­samt bie­tet die Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts wich­ti­ge Klar­heit und Fle­xi­bi­li­tät für die betrieb­li­che Pra­xis. Sie stellt sicher, dass die betrieb­li­chen Mit­be­stim­mungs­rech­te auch unter schwie­ri­gen Bedin­gun­gen auf­recht­erhal­ten wer­den kön­nen und bie­tet ins­be­son­de­re klei­nen und mitt­le­ren Unter­neh­men eine prak­ti­ka­ble Lösung, um die Anfor­de­run­gen des Betriebs­ver­fas­sungs­ge­set­zes zu erfül­len.

Die Ent­schei­dung trägt zur Sta­bi­li­tät und Zufrie­den­heit in den Betrie­ben bei, indem sie die Legi­ti­mi­tät und Funk­ti­ons­fä­hig­keit der Betriebs­rä­te auch in her­aus­for­dern­den Situa­tio­nen sicher­stellt. Damit wird die Grund­la­ge für eine kon­struk­ti­ve Zusam­men­ar­beit zwi­schen Arbeit­ge­bern und Arbeit­neh­mern gestärkt, was letzt­lich dem gesam­ten Betriebs­kli­ma zugu­te­kommt.


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