Bundesrat fordert Modernisierung der Mitbestimmung: Was Betriebsräte, Unternehmen und Beschäftigte jetzt wissen müssen

Bundesrat fordert Modernisierung der Mitbestimmung: Was Betriebsräte, Unternehmen und Beschäftigte jetzt wissen müssen

Mit dem Bun­des­rats­be­schluss vom 11. Juli 2025 ist die Reform der betrieb­li­chen Mit­be­stim­mung in Deutsch­land wie­der ganz oben auf der Agen­da. Die Ent­schlie­ßung zur Moder­ni­sie­rung des Betriebs­ver­fas­sungs­ge­set­zes (BR-Druck­sa­che 239/25) mar­kiert einen ent­schei­den­den Wen­de­punkt: Digi­ta­le Arbeits­welt, KI und neue Beschäf­ti­gungs­for­men machen eine Anpas­sung der Betriebs­rats­rech­te unum­gäng­lich. Doch was steckt wirk­lich dahin­ter – und wie geht es jetzt wei­ter?


Was wurde beschlossen? – Die wichtigsten Fakten

Am 11. Juli 2025 hat der Bun­des­rat mit der Druck­sa­che 239/25 eine weit­rei­chen­de Ent­schlie­ßung ver­ab­schie­det. Sechs Bun­des­län­der – Bre­men, Bran­den­burg, Ham­burg, Nie­der­sach­sen, Nord­rhein-West­fa­len und das Saar­land – machen sich gemein­sam stark für eine umfas­sen­de Reform des Betriebs­ver­fas­sungs­ge­set­zes (BetrVG). Das Ziel: Mit­be­stim­mung fit machen für das digi­ta­le Zeit­al­ter und Betriebs­rä­te als star­ke Inter­es­sen­ver­tre­tung sichern.

Die Ent­schlie­ßung wur­de an die Bun­des­re­gie­rung über­mit­telt, die nun prü­fen und ent­schei­den muss, ob und wie die Vor­schlä­ge in ein Gesetz­ge­bungs­ver­fah­ren ein­flie­ßen. Fes­te Fris­ten gibt es dabei nicht, aber der poli­ti­sche Druck ist hoch.


Welche Neuerungen sind geplant? – Überblick der Kernforderungen

1. Anpassung an die digitale Arbeitswelt

Die klas­si­schen Mit­be­stim­mungs­rech­te wer­den als unzu­rei­chend ange­se­hen, um Betriebs­rä­ten bei Digi­ta­li­sie­rung und KI wirk­sa­me Betei­li­gung zu ermög­li­chen. Künf­tig soll das BetrVG aus­drück­lich die Rech­te des Betriebs­rats beim Ein­satz von Künst­li­cher Intel­li­genz, digi­ta­len Tools und fle­xi­blen Arbeits­mo­del­len wie Home­of­fice stär­ken.

2. Neudefinition des Arbeitnehmerbegriffs

Immer mehr Men­schen arbei­ten in neu­en, oft pre­kä­ren Beschäf­ti­gungs­for­men – als arbeit­neh­mer­ähn­li­che Per­so­nen, Platt­form­be­schäf­tig­te oder Schein-Selbst­stän­di­ge. Der Bun­des­rat for­dert, die­se Grup­pen aus­drück­lich in den Schutz­be­reich des BetrVG auf­zu­neh­men.

3. Erweiterte Rechte beim Datenschutz und KI

Mit dem zuneh­men­den Ein­satz von KI und digi­ta­ler Über­wa­chung in Unter­neh­men stei­gen die Risi­ken für die Pri­vat­sphä­re der Beschäf­tig­ten. Betriebs­rä­te sol­len künf­tig stär­ke­re Rech­te beim Schutz von Beschäf­tig­ten­da­ten erhal­ten – von der Ein­füh­rung neu­er Sys­te­me bis zur lau­fen­den Kon­trol­le.

4. Schutz vor „Union Busting“

Noch immer wer­den laut Stu­di­en etwa 20 % aller Betriebs­rats­grün­dun­gen aktiv von Arbeit­ge­bern behin­dert. Die Ent­schlie­ßung for­dert kon­kre­te Maß­nah­men gegen die­se Behin­de­rungs­prak­ti­ken und will die Grün­dung von Betriebs­rä­ten erleich­tern.

5. Digitale und hybride Verfahren ermöglichen

Betriebs­rats­sit­zun­gen, Betriebs­ver­samm­lun­gen und sogar Wah­len sol­len künf­tig auch rechts­si­cher digi­tal oder hybrid durch­ge­führt wer­den kön­nen. Die posi­ti­ven Erfah­run­gen aus den Pan­de­mie­jah­ren sol­len so zum Stan­dard wer­den.


Warum ist das so bedeutsam?

Die Arbeits­welt ändert sich rasant: KI, Digi­ta­li­sie­rung, Home­of­fice und Platt­form­öko­no­mie prä­gen schon heu­te vie­le Betrie­be. Das Betriebs­ver­fas­sungs­ge­setz ist jedoch in wei­ten Tei­len über 50 Jah­re alt und bil­det vie­le neue Rea­li­tä­ten nicht ab. Ohne Reform droht die betrieb­li­che Mit­be­stim­mung an Ein­fluss zu ver­lie­ren – zulas­ten von Beschäf­tig­ten und sozia­lem Frie­den im Unter­neh­men.

Gleich­zei­tig zeigt die Pra­xis: Immer weni­ger Unter­neh­men haben über­haupt noch einen Betriebs­rat. In West­deutsch­land sind es nur noch rund 9 %, in Ost­deutsch­land 10 % der betriebs­rats­fä­hi­gen Betrie­be. Die Reform soll auch die­sem Trend ent­ge­gen­wir­ken.


Stimmen aus der Praxis – Pro und Contra

Gewerk­schaf­ten wie ver.di begrü­ßen die Initia­ti­ve und for­dern seit Jah­ren eine umfas­sen­de Reform. Sie sehen dar­in die Chan­ce, Mit­be­stim­mung und sozia­le Demo­kra­tie zu sichern, Beschäf­tig­te bes­ser vor Über­wa­chung zu schüt­zen und pre­kä­re Arbeit ein­zu­däm­men.

Arbeit­ge­ber­ver­bän­de dage­gen befürch­ten mehr Büro­kra­tie, Rechts­un­si­cher­heit und stei­gen­de Kos­ten, vor allem durch neue Mit­be­stim­mungs­tat­be­stän­de bei KI und Daten­schutz. Sie war­nen vor einer Über­re­gu­lie­rung, die Inno­va­ti­on und unter­neh­me­ri­sche Fle­xi­bi­li­tät behin­dern könn­te.

Poli­ti­sche Exper­ten beto­nen die Not­wen­dig­keit der Reform, sehen aber offe­ne Fra­gen in der kon­kre­ten Umset­zung und war­nen vor juris­ti­schen Grau­zo­nen, etwa bei der Abgren­zung von Arbeit­neh­mern und Selbst­stän­di­gen.


Wie geht es jetzt weiter?

Mit der Ent­schlie­ßung ist der Start­schuss für eine umfas­sen­de Reform gefal­len – aber noch kein Gesetz ver­ab­schie­det. Die Bun­des­re­gie­rung ist nun am Zug, einen Ent­wurf vor­zu­le­gen und mit allen Akteu­ren zu bera­ten. Bis ein neu­es Gesetz in Kraft tritt, kann es (wie immer) noch Mona­te bis Jah­re dau­ern. Betriebs­rä­te, Unter­neh­men und Beschäf­tig­te soll­ten die Ent­wick­lun­gen im Blick behal­ten und sich recht­zei­tig infor­mie­ren.


Was sollten Betriebsräte und Unternehmen jetzt tun?

  • Infor­ma­ti­ons­pflicht: Betriebs­rä­te soll­ten sich mit den geplan­ten Ände­run­gen früh­zei­tig aus­ein­an­der­set­zen und sich ggf. extern bera­ten las­sen.
  • Digi­ta­li­sie­rung vor­be­rei­ten: Unter­neh­men soll­ten prü­fen, wie sie bereits jetzt die Mit­be­stim­mung bei Digi­ta­li­sie­rung und KI-Anwen­dun­gen rechts­kon­form gestal­ten kön­nen.
  • Grün­dung för­dern: Beschäf­tig­te, die einen Betriebs­rat grün­den möch­ten, fin­den Rücken­wind in der aktu­el­len poli­ti­schen Ent­wick­lung – und soll­ten ihr Vor­ha­ben gezielt vor­be­rei­ten.

FAQ – Häufige Fragen zur Reform der Mitbestimmung 2025

Was ist die BR-Druck­sa­che 239/25?
Die offi­zi­el­le Ent­schlie­ßung des Bun­des­rats zur Moder­ni­sie­rung der betrieb­li­chen Mit­be­stim­mung, ver­ab­schie­det am 11. Juli 2025.

Wer ist von der Reform betrof­fen?
Alle Unter­neh­men und Beschäf­tig­ten, ins­be­son­de­re dort, wo Betriebs­rä­te exis­tie­ren oder gegrün­det wer­den sol­len.

Wann tritt das neue Gesetz in Kraft?
Noch gibt es kei­nen Geset­zes­ent­wurf – der Pro­zess kann sich erfah­rungs­ge­mäß über vie­le Mona­te zie­hen.

Gilt die Reform auch für klei­ne Betrie­be?
Ja, ins­be­son­de­re die Erleich­te­rung von Grün­dun­gen und digi­ta­len Ver­fah­ren betrifft auch klei­ne­re Unter­neh­men.


Quellen und weiterführende Links


Fazit

Die betrieb­li­che Mit­be­stim­mung steht am Schei­de­weg: Mit der Bun­des­rats­in­itia­ti­ve vom Juli 2025 ist die Chan­ce auf eine ech­te Moder­ni­sie­rung da. Betriebs­rä­te, Unter­neh­men und Beschäf­tig­te müs­sen jetzt dran­blei­ben, um die Zukunft der Arbeit fair, sicher und demo­kra­tisch zu gestal­ten.